Türkei-Reisen - Kassensturz 5.4.05
Verfasst: 08 Apr 2005, 13:53
Habt ihr den Bericht im Kassensturz gesehen?
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Türkei-Reisen: Gratis hin, blank zurück
Türkei-Reisen sind billig. Teuer wird es dann auf den obligatorischen Ausflügen in die Teppichzentren: Schweizer Reiseveranstalter lassen sich die Reisen von Teppichhändlern subventionieren und nehmen in Kauf, dass ihren Kunden überteuerte Ware angedreht wird.
Jedes Jahr fliegen tausende Schweizerinnen und Schweizer in die Südtürkei. Viele gratis, mit "gewonnenen" Ferien. Das Ehepaar Ursula und Klaus Kreiner zum Beispiel genoss eine Gratis-Ferienwoche in einem 5-Sterne-Hotel in Antalya, inklusive Mahlzeiten und Ausflüge, alles offeriert von ihrem Bücherclub NSB, der Neuen Schweizer Bibliothek. Ein Ausflug ist Ursula Kreiner jedoch teuer zu stehen gekommen. Beim Besuch einer Teppichknüpferei hat sie sich für 28'000 Franken einen Seidenteppich andrehen lassen. "Ich wollte diesen Teppich nicht kaufen, die haben einen richtig weichgeklopft. Das Ganze ist jedes mal, wenn wir abwinken wollten, wieder von vorne losgegangen. Nach zwei Stunden waren wir fix und fertig und froh, dass es zum Abschluss kam, weil die haben einfach nicht locker gelassen", sagt Ursula Kreiner. Zurück in der Schweiz liess sie vom teuren Teppich eine Expertise machen. Das ernüchternde Resultat: Ihr Teppich ist nicht 28'000 Franken sondern bloss 16'000 Franken wert.
Die Besuche in südtürkischen Teppichknüpfereien laufen immer gleich ab: Erst bekommen die Touristen das Handwerk zu sehen. Dann werden ihnen Teppiche vorgeführt mit dem Ziel, möglichst viele Teppiche zu verkaufen. Der Verdacht: Die Teppichknüpfereien subventionieren die Billigreisen. Im Gegenzug bringen die Reiseunternehmen Touristen, die Teppiche kaufen. Der Geschäftsführer der NSB will nichts davon wissen, dass Südtürkei-Reisende zu Teppichkäufen gedrängt werden: "Bestandteil dieses kostenlosen Reiseangebots ist eben der zweitägige Ausflug, zu dem der Besuch einer Teppichmanufaktur gehört. Wir haben weder von unserem Reiseveranstalter noch von Mitgliedern Rückmeldung erhalten, dass sie zu einem Teppichkauf gedrängt wurden und diese Teppiche überteuert waren", sagt André Sonst. Doch bei Bruno Meiser von der Schweizerischen Interessengemeinschaft Orientteppich Igot zeigt sich ein anderes Bild: Hier stapeln sich über 70 Dossiers von Türkeireisenden, denen es wie Ursula Kreiner ergangen ist. Sie alle haben zu teure oder mangelhafte Teppiche gekauft. "Die haben die Teppiche zum grossen Teil massiv überzahlt. Und sie haben Zertifikate erhalten, die mangelhaft sind, weil wichtige Angaben fehlen wie Knotenzahl oder und auch Herkunftsgebiet", fasst Experte Bruno Meiser zusammen. Seit die Zeitschrift K-Tipp über den Teppichschwindel berichtet hat, kommen täglich Leute zu Meier, die in der Südtürkei Teppiche gekauft haben. Manche haben drei- oder viertausend Franken ausgegeben, andere zehntausende Franken.
Auch Ernst Hostettler liess sich in einer Teppichknüpferei zum Kauf eines teuren Teppichs für 27'000 Franken überreden. Hostettler gab seinen teuren Seidenteppich ebenfalls bei Bruno Meier zur Expertise. Dessen Fazit: Hostettler hat keinen reinen Seidenteppich gekauft, wie ihm gesagt wurde. "Das ist Wolle. Der Teppich ist auf dem Schweizer Markt nicht 27'000 Franken wert, ich schätze ihn auf 7000 Franken." Ernst Hostettler hat zwar einen Kaufvertrag unterschrieben, aber erst eine Anzahlung geleistet. Weil die Angaben im Zertifikat nicht mit dem Teppich übereinstimmen, rät Meier, die restlichen 20'000 Franken nicht zu überweisen. Diesen Rat gibt er auch vielen anderen. "Wir haben viele Fälle, die bereits erledigt sind. Es gibt zwei Gruppen: Die eine ist, dass der türkische Exporteur den Teppich zurücknimmt, und die andere, dass die türkischen Exporteure mit dem geschätzten Preis des Igot-Gutachtens einverstanden sind", sagt Meier.
Dutzende Reiseunternehmen bieten während der Wintermonaten zu Tiefstpreisen Reisen in die Südtürkei an. Immer im Arrangement enthalten ist der Besuch einer Teppichknüpferei. Für den Geschäftsführer des Schweizerischen Reisebüroverbands ist klar, dass die Teppichknüpfereien für die Billigferien aufkommen. Der Verband kritisiert Reisen, zu denen Verkaufsveranstaltungen gehören: "Das System ist vermutlich so, dass dem Kunden im Reisebüro ein Gesamtpäckli in Rechnung gestellt wird, wobei er vermutlich aber nur den Fluganteil zahlt. In der Türkei wird dann von der Teppichknüpferei die ganze Leistung vor Ort wie Hotel, Mahlzeiten und Transport offeriert, und die tun sich dann mit dem Verkauf von überteuerten Teppichen quersubventionieren", sagt Walter Kunz von Schweizerischen Reisebüroverband. Zu den Anbieter solcher Billigferien in der Türkei gehören auch bekannte Unternehmen wie Vögele-Reisen. Roland Schmid, Kundendienstleiter von Vögele-Reisen, sagte im Studio, was die Türkeireisen in den Wintermonaten so günstig macht: "Ein Zusammenspiel der türkischen Veranstalter und Partner und den Veranstaltern in der Schweiz und in Europa." Der türkische Staat greife in dieser Zeit Busveranstaltern, Hotels, Fluggesellschaften, aber auch den Teppichhändlern mit Nachlassen unter die Arme. Feriengäste wollten überall auf der Welt etwas kaufen. Aber sie müssten nicht, auch nicht in türkischen Teppichknüpfereien. Davon überzeuge er sich inkognito regelmässig selber.
(Kassensturz vom 5.4.2005)
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Türkei-Reisen sind billig. Teuer wird es dann auf den obligatorischen Ausflügen in die Teppichzentren: Schweizer Reiseveranstalter lassen sich die Reisen von Teppichhändlern subventionieren und nehmen in Kauf, dass ihren Kunden überteuerte Ware angedreht wird.
Jedes Jahr fliegen tausende Schweizerinnen und Schweizer in die Südtürkei. Viele gratis, mit "gewonnenen" Ferien. Das Ehepaar Ursula und Klaus Kreiner zum Beispiel genoss eine Gratis-Ferienwoche in einem 5-Sterne-Hotel in Antalya, inklusive Mahlzeiten und Ausflüge, alles offeriert von ihrem Bücherclub NSB, der Neuen Schweizer Bibliothek. Ein Ausflug ist Ursula Kreiner jedoch teuer zu stehen gekommen. Beim Besuch einer Teppichknüpferei hat sie sich für 28'000 Franken einen Seidenteppich andrehen lassen. "Ich wollte diesen Teppich nicht kaufen, die haben einen richtig weichgeklopft. Das Ganze ist jedes mal, wenn wir abwinken wollten, wieder von vorne losgegangen. Nach zwei Stunden waren wir fix und fertig und froh, dass es zum Abschluss kam, weil die haben einfach nicht locker gelassen", sagt Ursula Kreiner. Zurück in der Schweiz liess sie vom teuren Teppich eine Expertise machen. Das ernüchternde Resultat: Ihr Teppich ist nicht 28'000 Franken sondern bloss 16'000 Franken wert.
Die Besuche in südtürkischen Teppichknüpfereien laufen immer gleich ab: Erst bekommen die Touristen das Handwerk zu sehen. Dann werden ihnen Teppiche vorgeführt mit dem Ziel, möglichst viele Teppiche zu verkaufen. Der Verdacht: Die Teppichknüpfereien subventionieren die Billigreisen. Im Gegenzug bringen die Reiseunternehmen Touristen, die Teppiche kaufen. Der Geschäftsführer der NSB will nichts davon wissen, dass Südtürkei-Reisende zu Teppichkäufen gedrängt werden: "Bestandteil dieses kostenlosen Reiseangebots ist eben der zweitägige Ausflug, zu dem der Besuch einer Teppichmanufaktur gehört. Wir haben weder von unserem Reiseveranstalter noch von Mitgliedern Rückmeldung erhalten, dass sie zu einem Teppichkauf gedrängt wurden und diese Teppiche überteuert waren", sagt André Sonst. Doch bei Bruno Meiser von der Schweizerischen Interessengemeinschaft Orientteppich Igot zeigt sich ein anderes Bild: Hier stapeln sich über 70 Dossiers von Türkeireisenden, denen es wie Ursula Kreiner ergangen ist. Sie alle haben zu teure oder mangelhafte Teppiche gekauft. "Die haben die Teppiche zum grossen Teil massiv überzahlt. Und sie haben Zertifikate erhalten, die mangelhaft sind, weil wichtige Angaben fehlen wie Knotenzahl oder und auch Herkunftsgebiet", fasst Experte Bruno Meiser zusammen. Seit die Zeitschrift K-Tipp über den Teppichschwindel berichtet hat, kommen täglich Leute zu Meier, die in der Südtürkei Teppiche gekauft haben. Manche haben drei- oder viertausend Franken ausgegeben, andere zehntausende Franken.
Auch Ernst Hostettler liess sich in einer Teppichknüpferei zum Kauf eines teuren Teppichs für 27'000 Franken überreden. Hostettler gab seinen teuren Seidenteppich ebenfalls bei Bruno Meier zur Expertise. Dessen Fazit: Hostettler hat keinen reinen Seidenteppich gekauft, wie ihm gesagt wurde. "Das ist Wolle. Der Teppich ist auf dem Schweizer Markt nicht 27'000 Franken wert, ich schätze ihn auf 7000 Franken." Ernst Hostettler hat zwar einen Kaufvertrag unterschrieben, aber erst eine Anzahlung geleistet. Weil die Angaben im Zertifikat nicht mit dem Teppich übereinstimmen, rät Meier, die restlichen 20'000 Franken nicht zu überweisen. Diesen Rat gibt er auch vielen anderen. "Wir haben viele Fälle, die bereits erledigt sind. Es gibt zwei Gruppen: Die eine ist, dass der türkische Exporteur den Teppich zurücknimmt, und die andere, dass die türkischen Exporteure mit dem geschätzten Preis des Igot-Gutachtens einverstanden sind", sagt Meier.
Dutzende Reiseunternehmen bieten während der Wintermonaten zu Tiefstpreisen Reisen in die Südtürkei an. Immer im Arrangement enthalten ist der Besuch einer Teppichknüpferei. Für den Geschäftsführer des Schweizerischen Reisebüroverbands ist klar, dass die Teppichknüpfereien für die Billigferien aufkommen. Der Verband kritisiert Reisen, zu denen Verkaufsveranstaltungen gehören: "Das System ist vermutlich so, dass dem Kunden im Reisebüro ein Gesamtpäckli in Rechnung gestellt wird, wobei er vermutlich aber nur den Fluganteil zahlt. In der Türkei wird dann von der Teppichknüpferei die ganze Leistung vor Ort wie Hotel, Mahlzeiten und Transport offeriert, und die tun sich dann mit dem Verkauf von überteuerten Teppichen quersubventionieren", sagt Walter Kunz von Schweizerischen Reisebüroverband. Zu den Anbieter solcher Billigferien in der Türkei gehören auch bekannte Unternehmen wie Vögele-Reisen. Roland Schmid, Kundendienstleiter von Vögele-Reisen, sagte im Studio, was die Türkeireisen in den Wintermonaten so günstig macht: "Ein Zusammenspiel der türkischen Veranstalter und Partner und den Veranstaltern in der Schweiz und in Europa." Der türkische Staat greife in dieser Zeit Busveranstaltern, Hotels, Fluggesellschaften, aber auch den Teppichhändlern mit Nachlassen unter die Arme. Feriengäste wollten überall auf der Welt etwas kaufen. Aber sie müssten nicht, auch nicht in türkischen Teppichknüpfereien. Davon überzeuge er sich inkognito regelmässig selber.
(Kassensturz vom 5.4.2005)